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Ein währungspolitisches Experiment: E-Euro in der Praxis: Totale Kontrolle inbegriffen

Ein währungspolitisches Experiment: E-Euro in der Praxis: Totale Kontrolle inbegriffen

Ein währungspolitisches Experiment: E-Euro in der Praxis: Totale Kontrolle inbegriffen

Auf dem Foto ist die EZB-Präsidentin Christine Lagarde zu sehen. Sie ist für die Euro-Lenkung zuständig.
Auf dem Foto ist die EZB-Präsidentin Christine Lagarde zu sehen. Sie ist für die Euro-Lenkung zuständig.
Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank – der Institution, die den digitalen Euro einführen will. Foto: picture alliance/dpa | Boris Roessler
Ein währungspolitisches Experiment
 

E-Euro in der Praxis: Totale Kontrolle inbegriffen

Seit zwei Jahren ist in Brüssel und Straßburg von einem „digitalen Euro“ die Rede. Dieser soll ausfallsicher, anonym und auch offline nutzbar sein. Doch wie viele Versprechungen der EU und der EZB stimmen eigentlich? Eine Analyse von Dirk Meyer.
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Die Europäische Zentralbank (EZB) treibt die Einführung des digitalen Euro voran. Im Oktober 2021 begann die Untersuchungsphase. Vorige Woche entschied der EZB-Rat, in die zweijährige Vorbereitungsphase einzusteigen. Hier sollen das Regelwerk ausgearbeitet und Anbieter für die Entwicklung einer Plattform und die notwendige Infrastruktur ausgewählt werden. Zudem soll die Anwendung des Digitalgeldes getestet werden, damit es den Anforderungen des Eurosystems als auch den Bürgern gerecht werde, „beispielsweise in bezug auf Nutzungserlebnis, Datenschutz, finanzielle Inklusion und ökologischen Fußabdruck“, so die EZB.

Sicher ist die Einführung des e-Euro damit keineswegs. Es braucht eine gesetzliche Grundlage, die die EU-Kommission mit ihrem „Verordnungsentwurf über die Einführung des digitalen Euro“ bereits im Juni vorgelegt hat. Dem müssen das EU-Parlament und der EU-Rat nach mehreren Beratungsrunden zustimmen. Schließlich müssen in einigen Mitgliedstaaten auch die nationalen Parlamente einwilligen. Von daher laufen beide Prozesse – Gesetzgebung und Gestaltung des e-Euro – parallel. Bundesbankpräsident Joachim Nagel ist daher zuversichtlich, „daß wir in circa fünf Jahren mit dem digitalen Euro bezahlen werden“.

 

Der digitale Euro. Grafik: JF

So würde eine dritte Geldform neben Bar- und Giralgeld geschaffen werden (siehe Grafik). Konzeptionell ist der e-Euro „digitales“ Bargeld, das für alle Bezahlvorgänge als gesetzliches Zahlungsmittel genutzt werden kann. Hierzu wird für jeden Nutzer ein digitales, von den Geschäftsbanken verwaltetes Notenbankkonto eingerichtet, auf das der Nutzer mit seiner e-Geldbörse („Wallet“) als App auf dem Smartphone oder dem Computer zugreifen kann. Der Bezahlvorgang soll online und offline möglich sein. Letzteres wäre relativ anonym und auch bei eingeschränkter Internetverbindung möglich. Später ist eine digitale Euro-Geldkarte geplant.

„Keinerlei relevante Vorteile und so unattraktiv wie alkoholfreier Wein“

Als eine Form von Zentralbankgeld wäre der e-Euro ausfallsicher. Das Giralgeld auf den Konten der Banken und Sparkassen unterliegt hingegen einem Insolvenzrisiko. Dieses Argument ist jedoch angesichts der Einlagensicherung bis 100.000 Euro kaum tragfähig, da eine Obergrenze von 3.000 Euro für den e-Euro diskutiert wird. Die Grenze wird für die Finanzstabilität im Krisenfall allgemein als notwendig erachtet, da sonst eine Umschichtung von Bankeinlagen in Zentralbankgeld erfolgen würde. Doch ob ein „Bank Run“ per Tastenklick oder durch Abheben von Bargeld stattfindet, ist allenfalls ein logistischer Unterschied für die EZB, sollte sie sich für eine Bankenstützung entscheiden müssen.

In beiden Fällen müßte sie für Pleitebanken mit Zentralbankgeld in „Vorkasse“ gehen. Allerdings würden die Banken einen Teil ihres Geschäfts verlieren. Insbesondere wäre ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe stark eingeschränkt, da sie hierfür Zentralbankgeld benötigen, das jetzt durch den e-Euro gebunden wäre. Wer könnte die übernehmen? Die Aufgabenteilung zwischen Privatwirtschaft und Zentralbanken ginge verloren, ohne daß die Lücke geschlossen würde. Auch deshalb plädiert der Lobbyverband Deutsche Kreditwirtschaft für einen „unteren dreistelligen Eurobereich“.

Ist der e-Euro überhaupt nötig? Für Peter Bofinger, bis 2019 Mitglied des Sachverständigenrats, ist die Antwort in seinem Gutachten für die österreichische Großsparkasse Erste Group klar: Der digitale Euro sei so unattraktiv wie alkoholfreier Wein, da keinerlei relevante Vorteile gegenüber bestehenden elektronischen Zahlungsanbietern bestehen würden. Ignazio Angeloni, ehemaliger EZB-Direktor, benennt ein mögliches Motiv: „Wir haben etwas erlebt, das die Amerikaner fear of missing out nennen – die Angst nicht dabei zu sein und als technologisch rückständig zu gelten.“ Andere Zentralbanken versuchen ähnliches – nicht immer erfolgreich, wie der chinesische e-Yuan zeigt.

Bargeld und digitaler Euro sollen nebeneinander existieren

Beworben wird der e-Euro mit der Kostenfrage, die Verbraucher müßten keinerlei Gebühren zahlen. Da die zusätzliche Infrastruktur des Zahlungssystems selbstverständlich Kosten verursacht und die Händler dafür zahlen müssen, kommt es zur Kostenüberwälzung auf den Kunden. Und verdrängt der e-Euro das Bargeld? „Nein, Bargeld und digitaler Euro würden nebeneinander existieren“, so verlautet es aus der Bundesbank. Auch wird derzeit ein EU-Verordnungsentwurf diskutiert, in dem es heißt, der Zahlungsempfänger dürfe Euro-Banknoten und Münzen „nicht ablehnen“.

Allerdings sind Ausnahmen vorgesehen: Geldwäschegrenzen und „Ex-ante-Ausschlüsse“, in dem ein Geschäft den Hinweis „No Cash“ aufstellt. Problematischer ist das Thema „Big Brother“ und Überwachungsstaat. Zwar versichert die EZB, daß sie „keinen Zugriff auf personenbezogene Daten“ habe und „anhand von Zahlungsinformationen auch keine Rückschlüsse auf einzelne Personen ziehen“ könne, doch setzt der e-Euro ein Konto voraus. Nur die Offline-Variante könnte der Anonymität des Bargeldes in etwa entsprechen. Zudem soll der e-Euro nicht programmierbar sein, um etwa dessen Nutzung einzuschränken, Sanktionslisten umzusetzen oder seinen Wert zu reduzieren.

JF 44/23 

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank – der Institution, die den digitalen Euro einführen will. Foto: picture alliance/dpa | Boris Roessler
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